«Schwirrigigli» war eine früher in der Schweiz geläufige und treffende Bezeichnung der Maultrommel: Klanglich weisen Geige und Maultrommel eine erstaunliche Verwandtschaft auf. Mit einer Maultrommel lässt sich nämlich nicht nur «maultrommeln», also rhythmisch begleiten, sondern auch Melodien spielen, sowohl in feinem Pizzicato als auch, unter Verwendung des Atems, in breitem Legato.
Ausgehend von traditionellen Volksmusikmelodien mit ihrer schlichten und zeitlosen Schönheit, loten Andreas Gabriel und David Studer mit viel Spielfreude die Möglichkeiten ihres aussergewöhnlichen Duos aus: Gezupt und gestrichen, naturtönig und mit weitem Atem fliesst und fliegt die Musik über Berge und Meere, durch Fjorde und Täler, um dann sicher auf einem urchigen Tanzboden zu landen.
Und noch ein paar Fundstücke zur Maultrommel:
Zunächst ein Instrument der Spielleute, Bauern und einfachen Stände, fehlte die Maultrommel in der Romantik in keinem Hoforchester. Virtuosen zogen durch Europa und rührten bei Hofe oder in bürgerlichen Salons das Publikum zu Tränen, wobei sie das Spiel im Dunkeln und in kleinem Kreis bevorzugten. Jean Paul lässt einen Maultrommelvirtuosen in seinem 1795 publizierten Roman «Hesperus oder 45 Hundsposttage» auftreten und die Herzen fliessen über:
«Ich fuhr in die Höhe beim Namen Franz Koch, (…) der ein bescheidner abgedankter Soldat ist und der überall mit seinem Instrument herumreiset und spielet. Das letzte, das er doppelte Mundharmonika nennt, besteht aus einem verbesserten Paar zugleich gespielter Maultrommeln oder Brummeisen, die er immer nach den Spiel-Stücken umwechselt. (…)Als daher die holdesten Laute, die je über Menschenlippen als Mitlauter der Seele flossen, von der bebenden Mundharmonika zu wehen anfingen; als er fühlte, daß diese kleinen Stahlringe gleichsam als Fassung und Griffbrett seines Herzens ihre Erschütterungen zu seinen machen würden: so zwang er sein fieberhaftes Herz, an dem ohnehin heute alle Wunden aufgingen, sich gegen die Töne zusammenzuziehen und sich keine Szenen vorzuzeichnen, bloß damit er nicht in Tränen ausbräche, bevor das Licht weg wäre. Immer höher stieg das Zuggarn hebender Töne mit seinem ergriffenen Herzen empor. Eine wehmütige Erinnerung um die andere sagte in dieser Geisterstunde der Vergangenheit zu ihm: »Erdrücke mich nicht, sondern gib mir meine Träne».
Dass Geige und Mautrommel gut zusammen können, zeigt das folgende Zitat aus «Unter der steinernen Brücke», einem Roman von 1951 des grossen Leo Perutz, der im Prag des 16. Jahrhunderts spielt (und vielleicht sogar einen Hinweis auf die umstrittene Herkunft der englischen Bezeichnung der Maultrommel enthält: Jew’s Harp):
«In dieser Nacht, zu später Stunde, gingen die beiden Hochzeitsmusikanten und Spassmacher, der Jäckele-Narr und der Koppel-Bär, zwei alte müde Männer, miteinander streitend und einander scheltend durch die Gassen der Judenstadt. Sie hatten bei einer Hochzeitsfeier in der Altstadt für eine Viertelgulden zum Tanz aufgespielt, der Jäckele-Narr auf der Geige, der Koppel-Bär auf der Maultrommel, denn die jüdischen Musikanten standen, weil sie die neuesten Tänze kannten, auch bei den Christen in gutem Ansehen.»
Und hier noch ein Suchbild als Nachweis, dass es von der Geige nie weit war bis zur Maultrommel: “Festival of Fools”, nach Pieter Bruegel dem Älteren, ca. 1560: Link